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Verlagsmeldung

30. November 2016

Strawinskys wiederentdeckter Chant funèbre wird in Sankt Petersburg zu neuem Leben erweckt

Igor Strawinskys Chant funèbre für Orchester erlebt nach 107 Jahren seine erste Aufführung, dirigiert von Valery Gergiev im Sankt Petersburger Mariinski-Theater am 2. Dezember.

Ein Orchesterwerk des jungen Igor Strawinsky, das man über ein Jahrhundert lang verloren glaubte, erlebt am 2. Dezember 2016 in Sankt Petersburg seine Erstaufführung in moderner Zeit. Chant funèbre (Pogrebal'naja pesnja, „Totenlied“) wurde vom Komponisten im Alter von 26 Jahren als Beitrag zum Totengedenken für seinen verehrten Lehrer Rimski-Korsakow geschrieben und ist, als Opus 5, das ‚Missing Link‘ zwischen seinen frühen Werken Feu d’artifice und Scherzo fantastique und dem Ballett Der Feuervogel, das, komponiert für Diaghilevs Ballets Russes, Strawinskys internationale Laufbahn begründete.

Bei der historischen Wieder-Aufführung im Konzertsaal des Sankt Petersburger Mariinski-Theaters steht nun Valery Gergiev am Pult des Mariinski-Orchesters – das Programm eröffnet die Würdigung von Igor Strawinskys Musik, die am Haus ein ganzes Jahr lang stattfindet. Chant funèbre erklingt zwischen Rimski-Korsakows Suite aus Die Legende von der unsichtbaren Stadt Kitesch und Der Feuervogel; das um 22 Uhr beginnende Konzert, präsentiert unter der Schirmherrschaft des Internationalen Kulturforums Sankt Petersburg, wird für das Fernsehen aufgezeichnet und live auf Medici.tv und Mezzo gestreamt.

Chant funèbre war nicht mehr zu hören seit der ersten und einzigen Darbietung am 17. Januar 1909 beim ersten russischen Sinfoniekonzert zum Gedenken Rimski-Korsakows; das Orchester des Grafen Scheremetew spielte im großen Saal des Konservatoriums unter der Leitung von Felix Blumenfeld, der für den indisponierten Glasunow eingesprungen war. Das zwölfminütige Werk für Sinfonieorchester geriet umgehend in Vergessenheit, denn, wie Strawinsky in seinen Chroniques de ma vie vermerkte: „Unglücklicherweise ist die Partitur dieses Werkes während der Revolution in Russland verlorengegangen, wie so vieles andere, das ich dort gelassen habe.“ Der Komponist zeigte noch in späteren Jahren großes Interesse an dem Stück – so schrieb er in Memories and Commentaries: „Die Orchesterstimmen sollten sich noch in irgendeiner der Sankt Petersburger Orchesterbibliotheken vorfinden; ich wünschte mir, dass irgend jemand in Leningrad einmal danach suchte, denn ich wäre selbst neugierig zu sehen, was ich unmittelbar vor dem Feuervogel komponiert habe.“

Die bedeutsame Wiederentdeckung der Orchesterstimmen verdankt sich den ausdauernden Bemühungen der Musikwissenschaftlerin Natalia Braginskaya und der sorgfältigen Sichtung alter Aufführungsmateriale durch die Bibliothekarin des Nationalen Rimski-Korsakow-Konservatoriums Sankt Petersburg, Irina Sidorenko. Beim Umzug des Lagerbestandes der Musikabteilung im Frühjahr 2015 wurde ein vollständiger, nicht katalogisierter Orchesterstimmensatz des Chant funèbre in einem Hinterzimmer des Archives identifiziert; jahrzehntelang waren Manuskripte dort durch die schiere Menge der davorliegenden Noten unzugänglich gemacht worden. Die Wiederentdeckung wurde der Musikwelt im September 2015 durch einen Vortrag Frau Dr. Braginskayas bei einem Symposium der Internationalen Gesellschaft für Musikwissenschaft in Sankt Petersburg sowie einen Bericht in der britischen Tageszeitung The Guardian, verfasst vom Strawinsky-Experten Stephen Walsh, bekanntgemacht.

In ihrer Studie, mittlerweile veröffentlicht in den Acta Musicologica, stellt Frau Dr. Braginskaya fest: „Hinsichtlich der Vielfalt des Klanges und Anzahl der Instrumente ist, unter Strawinskys frühen Werken, nur Feu d’artifice dem Chant funèbre vergleichbar; allerdings fehlt um der Helligkeit willen Tiefblech.“ Obschon Strawinsky sich später nicht an Einzelheiten des Werkes erinnerte, stellte er in Chroniques de ma vie fest: „Ich entsinne mich sehr gut noch der Idee, die der Musik zugrunde lag. Es war ein Trauerzug aller Soloinstrumente des Orchesters, von denen eines nach dem anderen seine Melodie wie einen Kranz auf das Grab des Meisters legte. Dieser Gesang hob sich ab von dem ernsten Hintergrund eines Tremolo, dessen Gemurmel den vibrierenden Bassstimmen eines Trauerchors glich.“

Was die Klangwelt des Chant funèbre betrifft, beschreibt Frau Dr. Braginskaya eine Vermischung post-wagnerischer Chromatik mit der Harmonik Rimski-Korsakows; für sie stellt die Komposition den Anfang „einer Reihe musikalischer Hommagen Strawinskys dar, über die Symphonies d’instruments à vent zum Gedenken Debussys bis hin zu den zahlreichen in memoriam verfassten späten Werken.“

Für die Rückkehr aufs Konzertpodium wurde Chant funèbre durch Frau Dr. Braginskaya und das Sankt Petersburger Konservatorium aus dem vollständigen Stimmensatz rekonstruiert; sie werden mit Boosey & Hawkes, Strawinskys Hauptverlag, bei der Erstellung der Partitur für die Veröffentlichung zusammenarbeiten. Boosey & Hawkes macht Chant funèbre für weitere Aufführungen zugänglich; für 2017 befinden sich mehr als 25 weitere Konzerte mit führenden Orchestern und Strawinsky-Interpreten in 17 Ländern in Vorbereitung, darunter die britische Erstaufführung mit dem Philharmonia Orchestra unter Esa-Pekka Salonen (19. Februar), die US-amerikanische Erstaufführung mit dem Chicago Symphony Orchestra unter Charles Dutoit (6. April) und die deutsche Erstaufführung mit den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle (31. Mai).

Eine vollständige Aufstellung aller aktuell geplanten Aufführungen finden Sie auf www.boosey.de.

Weitere Informationen:
> Streaming auf Medici TV
> Bericht auf Mariinsky TV, mit Interview Natalia Braginskaya
 

Frei zur Veröffentlichung.
Kontakt: composers.germany@boosey.com
 

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